Der Gastgarten

An einem Gastgarten vorbeigehen. Unbehelligt. Keine leichte Aufgabe als Frau. Daran denk ich am Samstag aber gar nicht. Nehme die Gäste gar nicht richtig wahr. Bin schon auf meinen Freund fokussiert, der 20 Meter jenseits des Gastgartens auf mich wartet. Kommentare zu meinem Äußeren, offen abfällig oder vorgeblich als “Kompliment” getarnt – damit bin ich erfahren seit ich 12 bin. Bringt mich selten aus der Ruhe. Kommt auf die Tagesverfassung an. Manchmal steht man da voll drüber, selten aber doch trifft es einen so, dass man später weint.

 

Aber darum geht es heute gar nicht. Er sagt nämlich nichts, als er sein Bein blitzschnell ausstreckt, um mich zu Sturz zu bringen. Ein Fremder, ein Gast des Gartens. Noch nie gesehen. Zack, ist das Bein schon da. Eine Schrecksekunde reißt mich aus meinen Gedanken, die sich gerade damit beschäftigt hatten, was wir jetzt kaufen wollen, denn mein Freund und ich sind für einen Einkauf verabredet. Ich schaffe es durch eine wohl sehr ungelenk anmutende, halb hopsende Ausweichbewegung gerade noch irgendwie, den Sturz zu vermeiden. Das muss so herrlich lächerlich aussehen, dass die anderen Gäste ins kollektive Lachen einstimmen. Schön, so eine Unterhaltung im Gastgarten an einem heißen Nachmittag, echt super erfrischend.

 

Ich bin es gewohnt, weiterzugehen. So wurde mir das beigebracht: “Am besten ist es, du zeigst gar keine Reaktion, das ärgert diese Typen am meisten” – darin erschöpft sich das tradierte Wissen zum Umgang mit allgegenwärtiger Belästigung auch schon. Ich mach tatsächlich automatisch ein paar Schritte weiter, ohne mich umzudrehen, spür die hämischen Blicke all der Fremden in meinem Rücken. Da steigt die Wut auf. Nein, das lass ich jetzt nicht unkommentiert auf mir sitzen, schießt es mir durch den Kopf.

 

Ich bleib stehen, wende mich um. Er sieht mich dümmlich an. “Sagen Sie, finden Sie das lustig?” – “Mein Fuß zuckt manchmal, ich kann nix dafür”, entgegnet er süffisant und stellt sein Glas vor sich auf den Tisch. Wieder Lachen der anderen. Ich bemühe mich, die anderen auszublenden. “Wie würde es Ihnen gefallen, wenn Sie wo vorbeigehen, und dann stellt Ihnen jemand plötzlich einfach ein Bein, fänden Sie das dann auch lustig? Das ist ja unglaublich.” “Das ist ja unglaublich”, äfft jemand meine Stimme und meine Worte nach, wieder Lachen, lauter als zuvor.

 

Die Wut lässt mich Lichtblitze sehen, ich spüre meine Unterlippe zittern, das Adrenalin flutet an. Mit einer Handbewegung fege ich sein Glas vom Tisch. Es zerbricht mit lautem Geklirr. “Hoppala, jetzt hat meine Hand wohl auch gezuckt, na sowas”, hör ich mich sagen. Kurze Stille. “Was kann die Wirtin dafür?”, höre ich eine Frau echauffiert rufen. Eine andere Stimme beschimpft mich als blöder Trampel. Jetzt geh ich weiter, spüre vor Aufregung meinen Körper gar nicht.

 

Mein Freund, der mich 20 Meter jenseits des Gastgartens erwartet hatte, fragt entsetzt, was da jetzt los war. Er hat das Beinstellen nicht gesehen. Ich bitte ihn, schnell in sein Auto einsteigen zu dürfen. Leute aus dem Gastgarten treten auf die Straße heraus, um besser herzusehen, verrenken sich die Hälse nach mir, gestikulieren herum. Wahrscheinlich notieren sie sich das Kennzeichen. Sowas hat man hier wohl noch nie erlebt! A Narrische! Eine Frechheit! Sachbeschädigung, Drohung!

 

Mein Freund chauffiert mich später direkt zu meinem Auto, damit ich nicht noch mal an dem Gastgarten vorbei muss. Fortan eine weitere No-Go-Area in meiner individuellen Landkarte.

 

Allgegenwärtig, immer, überall kann das passieren. Fremde nehmen sich einfach das Recht heraus, ihnen völlig unbekannte Frauen auf diese Art und Weise zu verunsichern, sie lächerlich und ihnen Angst zu machen. Beinstellen empfinde ich persönlich schon als körperlichen Übergriff, der dazu geeignet ist, mich zu verletzen. Ich möchte eigentlich in keiner Welt leben, wo man ununterbrochen auf sowas gefasst sein muss.

 

Frauenverachtung, – verächtlichmachung, Spott, sich völlig respektlos lustig machen können, allgegenwärtig, in unterschiedlicher Bandbreite und Erscheinungsform, das ist für mich ein Nährboden für weitere Gewalt, das gehört alles zu dieser ekelhaften Kultur, in der dann diese beängstigende Zahl an Femiziden möglich wird, als letzter, maximaler Ausdruck der Verachtung. 

 

An meine Leser richte ich daher die dringende Bitte: Seid keine solchen Arschlöcher. Lacht nicht mit, wenn ihr sowas miterlebt in Publikumsrolle. Sagt dem Belästiger, dass das eigentlich gar nicht lustig ist. Fragt ihn, ob er es auch lustig fände, wenn eine Frau, die ihm nahesteht, das erlebt – seine Tochter, seine Freundin, Ehefrau, die eigene Mutter. Aber ich denke, dass unter meinen Lesern der Anteil solcher Arschlöcher sehr gering ist. Sonst hätte ich nicht immer so schöne Dates mit euch.  Als Sexarbeiterin habe ich nämlich in 5 Jahren nur zwei mal erlebt, dass Männer versucht haben, mich respektlos zu behandeln. Das hab ich jedes Mal rasch abgestellt. Auch weil ich als Sexworker grundsätzlich mit der Einstellung in jedes Date mit einem noch Unbekannten gehe, dass hier alles nach meinen Regeln läuft. Im Alltag dagegen ist man nicht ständig wachsam, das wäre auch kein lebenswerter Alltag. Die Sexarbeit ist nicht der gefährliche Ort für Frauen, ganz im Gegenteil würde ich sagen, eben aufgrund der Tatsache, dass klar ist, wessen Regeln gelten. Es ist die gesellschaftliche Stimmung da draußen, die diese alltäglichen Belästigungen möglich macht und totschweigt, und Frauen dadurch in gefährliche Situationen bringt. 

 

Seid also keine Belästiger, das ist uncool. Seid lieber auf unserer Seite, für eine Welt, die für alle lebenswert ist, und bucht ein Date mit mir, denn….

INDEPENDENT ESCORT WIEN

…ist die Begleitung für intelligente Menschen. ❤️ 

4 Kommentare
  1. la
    la sagte:

    Was ein Stück Scheiße. Ich kann das gar nicht nachvollziehen wie man so dumm sein kann. Und das die anderen nur lachen … boa… beim Lesen bekomme ich da richtig aggressionen.

  2. Peter
    Peter sagte:

    Leider ändern sich die Menschen nicht und die Geschichte wiederholt sich immer wieder — nur leider ist das Denken vieler unserer Mitbürger eher geschichtslos und selbstsüchtig!
    Und wie man aus dem Beispiel sieht ist die Masse gleich mal hinter dem vermeintlich Stärkeren und will auf der Welle mit schwimmen, Courage ist ein Fremdwort – ich hoffe das Du so etwas nie wieder erleben musst!

  3. J.
    J. sagte:

    Als Transfrau kann ich das vollkommen nachvollziehen. Sobald ich meine Wohnungstür von außen schließe, beginnt ein Spießrutenlauf. Jeden Tag aufs neue, immer und immer wieder. In deinem speziellen Fall bin ich mir gerade nicht sicher was mich mehr schockiert: der Arsch der dir das Bein stellen wollte oder die anderen Assis die ihre unterbelichtete Existenz durch dämliches Gelächter oder schlichtweg unterlassenen Widerspruch zur Schau gestellt haben.

  4. Thorja von Thardor
    Thorja von Thardor sagte:

    Danke für deinen Kommentar. Der alltägliche Spießrutenlauf, dem weiblich gelesene Menschen jeden einzelnen Tag ausgesetzt sind, ganz egal wie es ihnen gerade geht, was sie gerade erlebt haben, ist noch überhaupt nicht im öffentlichen Bewusstsein. Es gibt Begriffe für sexuelle Belästigung, für Catcalling, für Femizide, und das ist gut so. Aber es ist aus meiner Sicht viel mehr. Dazu gehört schon das ständige Starren, die ungenierten Blicke auf alle Körperstellen, das hämische Grinsen dazu, das Flüstern mit dem Hawara und deppert herschauen. Dazu gehört etwa auch, zu lange im Weg stehen, in letzter Sekunde zur Seite gehen, Frauen nicht ausreden lassen. Dazu gehört, aus vorbeifahrenden Autos obszöne Kommentare zugerufen zu bekommem. Plastiklöffel nachgeworfen zu bekommen, von Wildfremden. Dazu gehört, dass anonyme Männer intime Details über Frauen, die man identifizieren kann, im Internet ausbreiten, sie bloßstellen und lächerlich machen mit peinlichsten Beschreibungen körperlicher Merkmale – und dass das ganz normal ist! Dazu gehört, von Fremden umzingelt und begrapscht zu werden, wie gerade in Wien am Keplerplatz passiert. All das ist eine Art von Gendergewalt. Eine unfassbare alltägliche Aggression, die uns als Frauen trifft, und die im Femizid ihren Höhepunkt findet.

    Das Starren verunsichert auch Kinder. Normalerweise hat man halbwegs Ruhe, wenn man mit Kindern unterwegs ist, doch kürzlich war ich mit meinem 10jährigen Sohn auf der Straße unterwegs, und er fragte mich: “Mama, warum schaut dich der Mann da so böse an? Und der dort?” Für Kinder ist dieses Starren “böse Schauen”, weil sie eben ganz deutlich sehen, dass das kein nettes, freundliches Schauen ist, wie es Fremde, die sich respektieren einander manchmal zuwerfen, sondern irgendwie eine ganz andere, bedrohliche Qualität hat.

    Ich habe oft den Eindruck, wir werden als Menschen 2. Klasse wahrgenommen. Als Angehörige dieser Spezies sind wir alltäglichen Schikanen ausgesetzt, wenn wir an den Herrenmenschen vorbei müssen. Meistens tun sie uns eh nichts wirklich Schlimmes. Aber besonders wenn sie im Rudel auftreten kann es schon mal vorkommen, dass sie uns ein Bein stellen zur Belustigung, uns Gegenstände nachwerfen oder uns beleidigen. Und wir wissen insgeheim, dass es unter Umständen auch richtig bedrohlich werden kann für uns. Bezeichnend ist auch, dass die Halböffentlichkeit wie im Gastgarten sich reflexartig auf die Seite des “Stärkeren” stellt. Das zu verharmlosen, verharmlost Geschichte. Wir haben da wirklich ein formidables gesellschaftliches Problem.

    Ich frage mich oft, was manche Männer so aggressiv macht gegen mich. Männer die mich nicht kennen, auch nicht wissen, dass ich Sexworker bin, die nur mein Äußeres wahrnehmen. Sind es die Tattoos, meine Größe, mein Auftreten? Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich nur mehr darüber spreche als andere Frauen, doch mir scheint, dass ich das überdurchschnittlich oft erlebe und es an mir irgendwas gibt, was CIS-Männer (extra) aggressiv macht.

    Ich bin mir im übrigen auch nicht so sicher, ob ich das Glas auch dann vom Tisch gefegt hätte, wäre mein Freund nicht in der Nähe gewesen. Aus heutiger Sicht, und umso mehr Zeit vergeht, nehme ich die Aktion dieses Typen als wirklich sehr aggressiven Akt wahr. Einer völlig fremden Person vorsätzlich ein Bein zu stellen ist ein körperlicher Angriff. Und wie ich reagiert hab, ist mitnichten besonders mutig. Immerhin weiß man nicht, welches Gewaltpotential so ein Typ noch zusätzlich in sich trägt. Ist man alleine und gerät an den falschen… nicht zur Nachahmung empfohlen! Und all das in Bruchteilen von Sekunden zu entscheiden, wie man reagieren soll – unmöglich.

    Als ich das Foto für diesen Beitrag aufgenommen hab, blieb hinter mir ein Auto stehen, 2 Männer stiegen aus, und einer sagte: “Hui, heute sind aber bunte Bilder unterwegs.” – wohl als Anspielung auf meine Tattoos. Sein Hawara sagte dazu: “Jo, oba kane eckadn!” – und beide lachten mit Blick auf mich. Auch wieder ein ungebetener Kommentar zu meinem Äußeren, mich lächerlich machend. Zu einem tätowierten Mann hätten sie das wohl eher nicht gesagt. Aber nachdem ich nur eine Frau bin, sind derartige Grenzüberschreitungen in jedem einzelnen Augenblick möglich. Da kann man lachen und schulterklopfen.

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